Skip to main content
MrSpinnert von MrSpinnert, vor 10 Jahren
Lyrik für Alle – Folge 139

In der 139. Folge von Lyrik für Alle rezitiert Lutz Görner Gedichte von Joachim Ringelnatz.

Joachim Ringelnatz (* 7. August 1883 in Wurzen; † 17. November 1934 in Berlin; eigentlich Hans Gustav Bötticher) war ein deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler, der vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu bekannt ist.

Joachim Ringelnatz’ erster Gedichtband für Erwachsene, Gedichte (1910), wurde von ihm selbst im Rückblick kritisch gesehen: „Gedichte, wie sie von Tausenden junger Schwärmer gedichtet werden“. Es sind ernste, sentimentale Gedichte in der Tradition der Romantik, besonders Heinrich Heines.

In seiner zwei Jahre später erscheinenden Sammlung Die Schnupftabaksdose ist der Ton völlig verändert: Ringelnatz schreibt groteske Unsinnspoesie. Einige der Gedichte gehören zu seinen bis heute bekanntesten: Die Schnupftabaksdose, Ein männlicher Briefmark erlebte, Die Ameisen und Logik. In den meist kurzen, durchgehend gereimten Gedichten werden Dinge belebt (Briefmarken, Knöpfe, Gläser) und können Tiere wie in der Fabel sprechen (Ameisen, Quallen, Elefanten). Bereits den zeitgenössischen Rezensenten fiel die Ähnlichkeit mit den Gedichten Christian Morgensterns auf. Ringelnatz beteuerte, bei der Niederschrift seiner Verse die Lyrik Morgensterns noch nicht gekannt zu haben. Bereits hier verwendet Ringelnatz eine lakonische, ungekünstelte Alltagssprache; diesen Stil wird er bis zum Ende beibehalten.

1920 veröffentlichte Ringelnatz seine bedeutendsten Gedichtsammlungen: Joachim Ringelnatzens Turngedichte und Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid. Die Turngedichte, die tatsächlich hauptsächlich das Thema Sport behandeln (Turnen mit und ohne Geräte, Ringen, Laufen, Fußball, Boxen), parodieren und karikieren in virtuos gehandhabten Versen in verschiedensten Reimarten, Verslängen und Metren, mit Neologismen und absichtlich falsch angewandter Grammatik die ideologisch-völkische Ausrichtung des Sports nach Turnvater Jahn. Die ironischen Gedichte wurden (auch dank eines anscheinend ernsten Vorwortes) von der „Monatsschrift für Turnen, Sport und Spiel“ für bare Münze genommen und scharf verurteilt: „Vor dem Ankauf des anmaßlichen Machwerks sei gewarnt.“

In Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid und dem folgenden Lyrikband Die gebatikte Schusterpastete stellte Ringelnatz die Figur Kuttel Daddeldus vor: In langen Erzählgedichten mit sehr frei gehandhabtem Vers werden die haarsträubenden Abenteuer dieses Seemanns präsentiert, der keine Manieren hat, ungehemmt seinen obszönen Augenblicksgelüsten nachgibt, ständiger Bordellgast ist und wahllos Gewalt anwendet. Die Kuttel-Daddeldu-Texte wurden große Erfolge, auch weil sie zu Ringelnatz’ ständigem Kabarettrepertoire gehörten.

Die folgenden Gedichtbände entfernen sich immer mehr von der grotesken, anarchistischen Unsinnspoesie der ersten Bücher. Ringelnatz schreibt parabelhafte Gelegenheitsgedichte von seinen vielen Tourneereisen, philosophische Gedankenlyrik manchmal melancholischen Grundtons mit Ratschlägen zur Lebensbewältigung (zu großen Ernst zerstört Ringelnatz jedoch durch oft überraschend unpassende komische Schlusswendungen). Diese Gedichtbände, zu denen Karl Arnold die Umschläge und Illustrationen verfertigte, hatten großen Erfolg und wurden von Kurt Tucholsky und Kurt Pinthus positiv rezensiert. Kuttel Daddeldu wird bis heute in dieser Ausgabe nachgedruckt.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Joachim Ringelnatz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz der GNU für freie Dokumentation und CC-by-sa 3.0. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.