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MrSpinnert von MrSpinnert, vor 4 Jahren
Gottfried Benn – „Wir ziehn einen großen Bogen“

Gottfried Benn – „Wir ziehn einen großen Bogen“

Rezitation: Will Quadflieg
von der CD „Trunkene Flut“

Text:

Wir ziehn einen großen Bogen -
wie ist nun das Ende – wie?
Über die Berge gezogen
und vor allem die Monts Maudits.

Wir holen aus Cannes Mimosen
für eine Stunde her,
wir hängen an unsern Neurosen
sonst hätten wir gar nichts mehr.

Wir träumen von Sternenbahnen
und fleischgewordner Idee,
wir spielen alle Titanen
und weinen wie Niobe.

Das Ende, immer das Ende -
schon schießt ein anderer vor
und nennt sich Wächter und Wende,
Hellene – goldenes Tor.

Die Gräber, immer die Gräber -
bald werden auch diedie vergehn,
hier, sagt der Friedhofsgärtner,
können neue Kreuze stehn.

Wer altert, hat nichts zu glauben,
wer endet, sieht alles leer,
sieht keine heiligen Tauben
über dem Toten Meer.

Auch wir gingen aus, uns üben
zu Sprüchen und sanfter Tat,
doch es schleift uns zum Trüben
und zu guter Herzen Verrat.

Wir ziehn einen großen Bogen
um wen, um was, um wie?
Um Wenden, um Wogen -
und dann die Monts Maudits.

Bilder: Collage