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MrSpinnert von MrSpinnert, vor 9 Monaten
Hamburgs Portugiesenviertel

Im Portugiesenviertel in Hamburg fühlt man sich inmitten des turbulenten bunten Treibens auf den Straßen, den Galerien, Restaurants, Werkstätten und Weinläden mit südländischem Flair eher am Mittelmeer als in der Freien und Hansestadt. Am schönsten ist es hier im Frühling, wenn alle Restaurants Stühle und Tische auf die schmalen Gehwege gestellt haben, die Menschen in der Sonne sitzen, Fisch essen oder Galao trinken und sich dabei wie im Urlaub fühlen.

In den 1960er- und 1970er-Jahren kamen portugiesische Einwanderer in das kleine Viertel zwischen Michel und Elbe. Sie waren im nahen Hafen beschäftigt, der Wohnraum war günstig. Der eine oder andere machte ein Restaurant auf, damit die Landsleute in der neuen Heimat wenigstens essen konnten wie zu Hause. Inzwischen ist das Viertel sehr durchmischt mit europäischen und deutschen Einwohnern und Geschäftsinhabern. Für sie alle ist das Viertel besonders, hier gibt es Zusammenhalt, Freundschaft, gelebte Dorfgemeinschaft mitten in der Großstadt.

Auch ein Teil des Hafens gehört zum Portugiesenviertel. Direkt an den Landungsbrücken liegt die "Rickmer Rickmers", die als Großsegler ein Wahrzeichen Hamburgs ist. Der grüne Dreimaster war eigentlich ein deutsches Frachtschiff, diente aber ab 1924 fast 40 Jahre lang unter dem Namen "Sagres" als Schulschiff der portugiesischen Marine.

Geht man einmal über die Straße, steht man vor grünen Holztüren, die in einen Keller führen. Hier schraubt Jörg Solar an alten englischen Motorrädern. Ein Geheimtipp, denn die Maschinen werden schon lange nicht mehr gebaut und haben Seltenheitswert. Seine Werkstatt Single and Twin sei allerdings kein hipper Lifestyleladen, betont Jörg.

Der Deutschportugiese Renato betreibt etwas weiter die Straße hinunter eine Kneipe O Cantinho de Antonio, oder kurz: bei Heidi, so heißt seine Mutter. Die hat nämlich vor über 50 Jahren den portugiesischen Gastarbeiter Antonio geheiratet. Die beiden waren eine Institution im Viertel, inzwischen führt Renato den Laden. Nur von Freitag bis Sonntag ist Heidi als gute Seele des Ladens hier und irgendwie auch des ganzen Viertels.

Gegenüber bei Franco Caramba stehen die Menschen Schlange vor seinem kleinen Restaurant. Ab 17.00 Uhr kommt die erste Schicht der Gäste, ab 20.00 Uhr die zweite. Franco geht freitags und dienstags auf den Fischmarkt. Die exotischen Fische schwammen zwei Tage zuvor noch im Indischen Ozean und kommen per Luftfracht, erklärt er stolz. Eine Speisekarte gibt es bei Franco nicht. Er serviert ausschließlich Überraschungsmenüs. Und das macht er laut und humorvoll. Die Gäste mögen das, einen Tisch zu reservieren, ist (fast) unmöglich. Jeden Abend steht Franco selbst im Restaurant und unterhält lautstark seine Gäste. Wie er das seit Jahren durchhält, weiß er selbst nicht.

Für Künstler Frank Bürmann ist das Portugiesenviertel eine Inspiration. Die Nähe zum Hafen, die unterschiedlichen Kulturen bringen ihn immer auf neue Ideen. Sein Atelier liegt mitten im Geschehen, sein Laden direkt daneben. Früher malte er großflächig auf Leinwand, seit über 15 Jahren bearbeitet er Alltagsgegenstände mit bunter Farbe.

Luis Correia De Pinho importiert aus seiner Heimat Portugal Wein. Aber in seiner kleinen Weinbar geht es um mehr als Wein, es geht um die portugiesische Seele, sagt Luis. Und was drückt die mehr aus als Fado? Katharina Brass hat in ihrer Heimatstadt Lissabon diese spezielle Art des Singens erlernt. Fado bedeutet Schicksal, sagt sie, und das muss man in all seinen Facetten mit der Stimme ausdrücken können. So wie das Leben eben ist, ob in Portugal oder in Hamburg.

Hamburgs Portugiesenviertel | Die Nordreportage | NDR Doku